Hintergrund
Invasive, gebietsfremde Arten führen zu erheblichen Veränderungen von Artgemeinschaften und Ökosystemen und gelten weltweit als eine der wichtigsten Bedrohungen für die biologische Vielfalt. Daneben können sie beträchtliche wirtschaftliche Schäden verursachen und sowohl die menschliche, als auch die tierische Gesundheit gefährden. Die EU-Kommission schätzt die durch IAS entstehenden wirtschaftlichen und gesundheitlichen Schäden in Europa auf 9,6–12,7 Milliarden Euro jährlich. Im Zuge der Globalisierung und einer stetig ansteigenden Bevölkerungs-
und Besiedlungsdichte erlangen invasive Arten auch eine zunehmende Bedeutung in Städten. In Europa gelten der Waschbär und der Marderhund als invasiv und werden auf der Unionsliste invasiver Arten (EU-Verordnung 1143/2014) geführt. Auch der Mink breitet sich stetig aus und hat sich mittlerweile in vielen Gebieten Europas etabliert.
Ökologie der Karnivoren
Die hohe Ausbreitungsfähigkeit und generalistische Ernährungsökologie dieser Karnivoren führen dazu, dass sie fast alle natürlichen Lebensräume besiedeln können. Dabei stehen sie im Verdacht, für den Rückgang zahlreicher einheimischer Arten mit verantwortlich zu sein. Der Waschbär und der Marderhund dringen zudem in städtische Gebiete vor, in denen sie anthropogene Ressourcen nutzen und sehr hohe Populationsdichten erreichen können. Die Arten sind bekannt dafür, dass sie für eine große Anzahl von Parasiten und Krankheitserregern als Wirte fungieren und diese auf Wild-, Nutz- und Haustiere sowie den Menschen übertragen können. Aufgrund der Nähe zum Menschen besteht daher ein erhöhtes Risiko der Übertragung von zoonotischen Krankheitserregern (u.a. Waschbärspulwurm), humanpathogener Viren (u.a. West-Nil-Virus, Corona-Viren) und Mikroorganismen (u.a. multiresistente Keime). Das Zoonoserisiko, die wirtschaftlichen und ökologischen Auswirkungen invasiver Säugetiere sind derzeit nur bedingt abschätzbar, da wissenschaftlich fundierte Daten fehlen.
Zielsetzung
ZOWIAC dient der Erforschung von Invasionsprozessen gebietsfremder Säugetierarten, deren Interaktionsdynamiken in heimischen Ökosystemen, sowie den potenziell damit verbundenen gesundheitlichen Risiken. Aktuelle Forschungsansätze müssen dabei die Komplexität realer Ökosysteme, Landschaften und urbaner Räume abbilden, aber auch die verschiedenen räumlichen, zeitlichen und gesellschaftspolitischen Ebenen mit einbeziehen, um ein effektives Management von invasiven und einwandernden Karnivoren auf lokaler, nationaler aber auch europaweiter Ebene zu ermöglichen. ZOWIAC verfolgt diesen integrierten Ansatz und nutzt dabei die hessische Kompetenz in der Ökologie- und Biodiversitätsforschung, Parasitologie, Infektionsbiologie und Wildtierbiologie. Da der zukünftige Erfolg bei der Eindämmung von potenziell negativen Einflüssen der IAS auch maßgeblich vom Verständnis und der Beteiligung der Öffentlichkeit abhängig sein wird, werden anhand einer sozio-ökologischen Analyse alle relevanten Gruppen und Akteure und deren Risikoverständnis und -wahrnehmung identifiziert und mit eingebunden.